Wednesday, March 28, 2007

Attraktiver Zukunftsmarkt für vernetzte ICT-Systeme im Gesundheitswesen

Wir hatten mit einem dynamischen Team Kapitalgeber aus der Pharma- und Medienindustrie gefunden, welche bereit waren, unsere Projektideen bis zu einem Pilotstadium hin zu finanzieren. Eine Gruppierung von AerztenInnen (Professoren mit ihren AssistentenInnen), ApothekernInnen und PsychologenInnen waren bereit, sich für das Projekt zu engagieren. Es wurde eine operativ tätige Gesellschaft in Deutschland und eine Vertriebs-/Patentgesellschaft in der Schweiz gegründet.

Wir glaubten daran, dass unter Einsatz einer Plattform den Akteuren im Gesundheitswesen webbasiert On-Demand-Services angeboten werden können, welche die Qualität und Effizienz der medizinischen Versorgung verbessern. Voller Enthusiasmus wurden die Prozesse im Bereich der Befundaufnahme, der Diagnosefindung sowie der Therapie für ausgewählte Krankheitsbilder dokumentiert. Die Erkenntnisse der einzelnen Fachdisziplinen wurden für die einzelnen Krankheitsbilder zusammengeführt.

Die Funktion des Apothekers wurde im Netzwerk zum festen Bestandteil einer integrierten Gesundheitsversorgung. Seine Rolle verändert und aufgewertet. Für die psychologiche Betreuung konnten neue Wege in den entscheidenden Lebenssituationen aufgezeigt werden. Es wurden Lösungen für Spezialsituationen wie Prüfungsangst, Betreuung nach Schicksalsschlägen wie Todesfällen einer nahe stehenden Person, schwere Erkrankungen im Familienumfeld, Unfällen usw. entwickelt.

Die Begeisterung für die Möglichkeiten des Web nahm bei allen Beteiligten mehr und mehr zu. Aus der anfänglichen Hoffnung wurde immer mehr Gewissheit. Hier liegen enorme Möglichkeiten der qualitativen Verbesserung und der Effizienzsteigerung und auch Kostensenkungspotentiale brach, welche bereits mit dem State of the Art der Technologien ausgeschöpft werden konnten.

Die einzelnen Projektteams mit insgesamt über 30 MitarbeiternInnen hatten nach ca. 2 Jahren ihre Aufgaben weitestgehend erfüllt. Es ging nun darum, Wege zu finden, um die Resultate der Arbeit in die bestehenden Strukturen der medizinischen Betreuung einzubringen. Da mussten wir erkennen, dass diese den bestehenden Gegebenheiten nur sehr bedingt Rechnung tragen. Es fing schon mit den Standesorganisationen der einzelnen Fachdisziplinen an. Diese waren zwar von den erzielten Ergebnissen durchaus angetan, hatten jedoch den Eindruck, dass die entsprechenden Aktivitäten integrierter Bestandteil ihrer Fachdisziplin sein sollte. Im vorgesehenen interdisziplinären Ansatz auf einzelne Krankheitsbilder hin sah man eine Konkurrenzierung der eigenen Disziplin. Wenn schon, dann ging es darum, sich rechtzeitig entsprechend zu positionieren. Demzufolge wurden die Vertreter der Standesorganisationen im Projekt wurden angehalten, dafür zu sorgen, dass die Ergebnisse prioritär der eigenen Fachdisziplin zur Verfügung stehen würden.

Wir mussten erkennen, dass es an der entsprechenden IT-Infrastruktur und insbesondere an den Vergütungssystemen mangelt, um die gewonnen Erkenntnisse entsprechend umsetzen zu können. In Gesprächen mit den Exponenten der Gesundheitspolitik – welche unsere Arbeiten zwar hoch lobten und sich teils gar begeistert darüber äusserten – kam deutlich zum Ausdruck, dass eine entsprechende Anpassung der gesetzlich verankerten Vergütungssysteme mindestens zehn Jahre in Anspruch nehmen würde, bis diese in Kraft treten könnten.

Ferner mussten auch zur Kenntnis nehmen, dass die Ausbildungssysteme ein wesentliches Hindernis für einen verbreiteten Ansatz darstellte. Wir gingen die Studienpläne der relevanten Ausbildungslehrgänge unter dem Aspekt der Telemedizin durch und stellten ernüchtert fest, dass hier ein grosser Nachholbedarf bestand.

Praktisch sämtliche Projektteilnehmer waren sich in der Folge darüber einig, dass strukturell, von der IT-Infrastruktur, den Vergütungssystemen sowie von der Ausbildung her das Fundament fehlt, um unserem Konzept zu einem schnellen Durchbruch zu verhelfen. Erst wenn sämtliche Akteure im Gesundheitswesen vernetzt werden und sich einem gemeinsamen System anschliessen – was bei einer On-Demand-Lösung übrigens mit nur bescheidenen Hardware-Investitionen für die Akteure des Gesundheitswesens verbunden ist – kommen die qualitativen und effizienzmässigen Effekte voll zum Tragen.

Der Schlussfolgerung und der Antrag des Projektteams an die Kapitalgeber lautete übereinstimmend:
  • Potentiell sehr interessante Perspektiven in vielen Bereichen der Leistungserbringer im Gesundheitswesens mit einem enormen Nutzen- und Wertschöpfungspotential.
  • Für eine erfolgreiche Umsetzung eines umfassenden Systems fehlt das Fundament. Strukturelle und vergütungsmässige Restriktionen stehen derzeit einer erfolgreichen Umsetzung im Wege.
  • Die Projektidee ist in einigen Jahren mit einer neuen, breit abgestützten Trägerschaft umzusetzen. Auf die gewonnenen Ergebnisse und Erkenntnisse der Projektarbeiten kann dannzumal aufgesetzt werden.
Empfehlungen, welche in der Folge vom Aufsichtsrat auch angenommen wurden.

Thursday, February 15, 2007

Zukunftsorientiertes Struktur- und Rollenmodell für das schweizerische Gesundheitswesen

Die Strukturen im schweizerischen Gesundheitswesen und die Rollen der Akteure sind unter Berücksichtigung der Perspektiven der verfügbaren Informations- und Kommunikationstechnologien weitgehend überholt. Die Wettbewerbsfähigkeit in einem liberalisierten Markt kann nur sichergestellt werden, wenn die entsprechenden Anpassungen vorgenommen werden. Im Zentrum steht dabei die Vernetzung aller Akteure im Gesundheitswesen.


Historisch gewachsene Strukturen sind überholt
Die Entwicklungen der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien (Telemedizin) werden im Gesundheitswesen bereits heute vielfältig genutzt. Das Feld der Anwendungen ist breit und führt von der administrativen Unterstützung bis hin zu den medizinischen Expertensystemen im Bereich der Diagnose, Therapie und Telemetrie.
Bis heute werden diese Technologien in den meisten Fällen über die historisch gewachsenen Strukturen „gestülpt“. Was in den Industrie- und Dienstleistungsbranchen längst zum unternehmerischen Verständnis gehört, nämlich dass diese Technologien erst dann voll zum Tragen kommen, wenn sowohl die Prozesse als auch die Strukturen entsprechend neu ausgerichtet werden, wird im Gesundheitswesen auf der Seite der Leistungserbringer ungenügend beachtet. Der volle Nutzen der getätigten Investitionen in die Technologien kann daher nur bedingt ausgeschöpft werden.

Die Gründe für diese verbreiteten Missstände sind vielfältig und werden oft auch von exogenen Faktoren bestimmt, die durch den einzelnen Leistungserbringer nur bedingt selbst beeinflusst werden können. Mit der Verfügbarkeit von breitbandigen Netzen zu vernünftigen Kosten verbunden mit den für das Gesundheitswesen erforderlichen Sicherheitsanforderungen ist eine Vernetzung der Akteure unter Vernunftsaspekten ein Gebot der Stunde. Wie oben erwähnt, bedarf diese Vernetzung jedoch anderer Strukturen und eines neuen Verständnisses für die medizinischen Prozesse als Ganzes.

Dabei sind keine revolutionären Einschnitte erforderlich. Verfügt man über einen grundsätzlichen Konsens des künftigen Modells, können sich die beteiligten Akteure in einem evolutionären Prozess auf die neue Konstellation einstellen. Vor dem Hintergrund des Standes der ICT ist es naheliegend, sich auf Konturen für ein zukunftsgerichtetes Konzept festzulegen. Die e-Health-Strategie des Bundes bietet gewisse Leitlinien. Zu den strukturellen Konsequenzen und den prozessmässigen Bedingungen auf Seite der Leistungserbringer wird aber nicht zuletzt auch aus Kompetenzgründen (Kantone) nur am Rande Stellung bezogen.

Wie sehen ein zeitgemässes Modell und die veränderten Rollen der Akteure aus?
Im Zentrum der künftigen Überlegungen dürfen nicht einzelne Institutionen und Anwendungen, sondern vielmehr die Ziele, Aufgaben und Kompetenzen der Akteure in einem vernetzten System stehen. Das Netzwerk lässt es vom Grundsatz her zu, dass von den bestehenden Strukturen ausgegangen werden kann. Diese wachsen im Rahmen des Netzwerks sukzessive in das neue Funktionsspektrum hinein.
In diesem zeitgemässen Modell finden die bisherigen Akteure im Rahmen eines ambulant-stationären Netzwerks ihren Platz. Der Veränderungsprozess wird von der intensiven interdisziplinären Zusammenarbeit mit einem umfassenden Informationstransfer vorangetrieben. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil im Gesundheitswesen der isoliert handelnde Akteur morgen keinen Platz mehr haben wird. Es geht künftig darum, die verschiedenen Services optimal auf die Bedürfnisse des Patienten hin zu bündeln. Und überhaupt, das neue System der Vernetzung hat die Grundlage dafür zu bieten, dass unser Gesundheitswesen individueller und damit besser auf die spezifischen Kundenbedürfnisse ausgerichtet werden kann.

Es spricht viel dafür, über eine Plattform die wichtigsten Anwendungen als On-Demand-Services verfügbar zu machen. Damit können die kleineren und mittleren Akteure von einer Systemarchitektur profitieren, bei der hardwaremässig nur bescheidene Investitionen erforderlich sind. Dadurch entfällt ein ganz wichtiges Argument des Widerstandes breiter Kreise gegenüber einer umfassenden IT-Gesamtlösung.
Mit diesem Modell haben wir zudem eine Türöffnerfunktion für ein umfassendes Gesundheitswesen zu leisten. Dies mit der klaren Zielsetzung, weg vom Krankenwesen hin zu einer Gesundheitsversorgung, die diesen Namen auch verdient. So sind denn auch die Anbieter im Bereich Wellness, Hotel- und Freizeitindustrie miteinzubeziehen. Eine Lösung, die sich nur auf die heutigen Leistungserbringer abstützt, greift zu kurz.
Mit einer derartigen Gesamtlösung - Vernetzung sämtlicher Akteure im Gesundheitswesen - wird die Wettbewerbsfähigkeit des schweizerischen Gesundheitswesens als Ganzes erhöht. Dabei kann die eVersichertenkarte die Rolle einer ersten Einstiegsmöglichkeit spielen.

Der Hausarzt (allg. Praktiker)
Der Hausarzt hat sich künftig vermehrt als Projektmanager und Treuhänder des Patienten zu sehen. Er versteht sich als die Bezugsperson und der Interessenvertreter des Patienten. Demzufolge betreut er auch die (elektronische) Krankengeschichte respektive das Patientendossier. Er ist der Gesundheitsmanager der Zukunft. Das bedeutet auch, dass er das gesamte Angebot im Gesundheitswesen bestens kennt. Und dies über alle Ebenen hinweg von der Gesundheitsaufklärung über Prävention, Diagnostik, Therapie, Rehabilitation bis hin zu Fitness und Wellness.

Der Hausarzt wird dadurch zu einer Art Gesundheitspartner und übernimmt die Rolle, seine Kunden beim verantwortungsvollen Handeln zum Wohlfühlen und Gesund bleiben zu begleiten. Er übernimmt die Triagefunktion für alle Themen in den Bereichen Wellness, Sport und Gesundheit.

Fachärzte (Spezialisten)

Der Spezialisierungsgrad bei den medizinischen Fachdisziplinen nimmt tendenziell weiter zu. Damit einher geht auch ein ganz spezifisches Vokabular, das von den übrigen Disziplinen je länger je schwerer verstanden werden kann. Wenn dieses Wissen im Netzwerk gebündelt und auf einzelne Krankheitsbilder angewendet werden kann, dann lassen sich die damit verbundenen Probleme besser meistern. Stehen hingegen die Fachärzte wie heute relativ isoliert im Raum, so verpufft ein Teil der erbrachten Leistung ungenutzt.

Ein Netzwerk beinhaltet zudem die grosse Chance, dass das fachärztliche Spezialwissen vermehrt patientenbezogen auf einzelne Krankheitsbilder ausgerichtet werden kann. Diese Orchestrierung des Spezialwissens im Netzwerk ermöglicht zudem eine prozessorientierte medizinische Versorgung, die den heutigen statischen Methoden in qualitativer und effizienzmässiger Hinsicht überlegen ist.

Spitäler als künftige Gesundheitszentren

Dass Spitalaufenthalte wegen deren konzeptioneller Ausrichtung unter gewissen Rahmenbedingungen auch krank machen können ist ein offenes Geheimnis. Eine Neuausrichtung tut Not, d.h. weg vom Hort der Krankheit hin zum Hort der Gesundheit. Das bedeutet unter anderem, dass Dienstleistungen integriert werden, die in ihrem Zusammenspiel eine Atmosphäre des Wohlbefindens ausstrahlen. Dem Ziel – schnelle Genesungsprozesse voranzutreiben – soll mit allen zur Verfügung stehen Mitteln nachgelebt werden.

Für das Netzwerk folgt daraus, dass die kleineren Regionalspitäler unter Umständen einer neuen spezifischen Funktion im Gesundheitswesen zugeführt werden können. Als Beispiel seien hier Seniorenresidenzen mit abgestuften Betreuungsgraden genannt. Der hier vorhandene Spielraum einer nutzenorientierten Gesundheitsversorgung ist sehr gross. Das bedeutet für die Schweiz naturgemäss kantonsübergreifende Konzepte. Und gut konzipiert, können auf diese Weise unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung sogar Kosten gesenkt werden.

Medizinische Kompetenzzentren
Die historische Entwicklung der Fachdisziplinen hat dem Momentum der Bündelung der Fähigkeiten auf einzelne Krankheitsbilder und der Spezialsituation des Patienten zu wenig Rechnung getragen. Zudem wird vor diesem Hintergrund zu wenig berücksichtigt, dass nur das harmonische Gleichgewicht zwischen Körper, Geist und Seele die ideale Voraussetzung für optimal verlaufende Genesungsprozesse bietet. Um diesem Ideal möglichst nahe zu kommen, empfiehlt es sich organspezifische Kompetenzzentren aufzubauen. Diese Kompetenzzentren lassen sich entweder in bestehende Spitäler integrieren oder es besteht die Möglichkeit, zur Schliessung vorgesehene Regionalspitäler in dieser Form einer neuen Nutzung zuzuführen. Aber auch in diesem Segment und unter Kostengesichtspunkten begünstigt die elektronische Vernetzung die erfolgreiche Realisierung.

Teleambulanzen
Teleambulanzen können für eine qualitative Verbesserung des Gesundheitswesens eine ganz entscheidende Rolle spielen. Insbesondere dann, wenn sie die Perspektiven des Dauermonitorings mit mobilen Endgeräten voll ausschöpfen.

Richtig tragend werden derartige Konzepte aber erst dann, wenn die Teleambulanzen integrierter Bestandteil der Institutionen des Gesundheitswesens darstellen. Es ist nicht zweckmässig und unter Kostengesichtspunkten abzulehnen, wenn die Teleambulanzen als zusätzliche Anbieter in einem Konkurrenzverhältnis zu den bestehenden Institutionen operieren.

Einbindung der übrigen Akteure
Zu einer umfassenden, qualitativ guten Gesundheitsversorgung gehört es, die Vernetzung weiter voranzutreiben. Zahnärzte, Apotheken, Drogerien, Physiotherapeuten und Labors sind ebenso einzubinden wie die oben erwähnten Institutionen im Bereich Wellness, Fitness, Hotellerie, Gastronomie und einzelne Bereiche der Freizeitindustrie.

Der Patient

Die Anreizsysteme für den Patienten sind gezielt einzusetzen. Patienten sind heute bedeutend besser informiert. Das Internet ist in diesem Bereich zu einem wichtigen Medium geworden. Dem Patienten ist mehr Selbstverantwortung für seinen Körper und sein Wohlbefinden zu übertragen (grössere Eigenverantwortung).

Was wird besser?
Mit einer Vernetzung der Akteure in Gesundheitswesen erreichen wir auf verschiedenen Ebenen eine qualitative Verbesserung im Bereich der Gesundheitsversorgung. Damit führen wir die Einzeldisziplinen im Gesundheitswesen endlich dorthin wo sie schon lange hingehören - zum spezifischen Bedürfnis des Menschen. Fragwürdige Doppeluntersuchungen werden verhindert. Die Leistungserbringer praktizieren damit eine konsequente Kundenorientierung.

Welche Anpassungen drängen sich auf?

Vergütungssysteme
Selbstverständlich lässt sich diese neue Rollen- und Aufgabenzuteilung nur dann realisieren, wenn auch die Vergütungssysteme voll auf diese neue Philosophie einer ganzheitlichen Gesundheitsversorgung ausgerichtet werden. Deshalb ist auch der Grundkonsens über das künftige schweizerische Gesundheitswesen von derart grosser Bedeutung. Ist dieser einmal vorhanden, können dann die neuen Rollen der Akteure vergütungsmässig entsprechend berücksichtigt werden. Es gilt demzufolge, ein fundamentales Reengineering des Tarmed vorzunehmen, und diesen ganz grundsätzlich auf die neuen Bedingungen auszulegen.

Evolutionäre Entwicklung hin zu neuen Strukturen und Prozessen
Gestützt auf einem grundsätzlichen Konsens über ein künftiges Modell des Gesundheitswesens lassen sich die erforderlichen Entwicklungen und Anpassungen durchaus evolutionär vollziehen. Es kommt zu keinen eigentlichen Brüchen mit bisherigen Strukturen. Die Umorientierung lässt sich vielmehr auf der Grundlage des Bestehenden in kleinen, evolutionären Schritten vollziehen.

Die kantonalen Gesundheitsdirektionen können sich nach diesem Leitbild ausrichten. Das schweizerischen Gesundheitswesens wird im internationalen Kontext deutlich aufgewertet.

Ueberregionale Zusammenschlüsse über die Kantonsgrenzen hinweg
Die Kantone müssen sich zu überregionalen Gebilden zusammenschliessen und in diesem Rahmen gemeinsam neue Konzepte entwickeln, welche den künftigen Anforderungen Rechnung tragen. Die Kantonsgrenzen als Planungsregion sind in vielen Belangen überholt.

Aus- und Weiterbildung

Die heutige Ausbildung der medizinischen Berufe trägt der Entwicklung hin zu interdisziplinären Behandlungsprozessen (zu) wenig Rechnung. Die Informations- und Kommunikationstechnologien und die Telemedizin müssen zu Hauptfächern aufgewertet werden. Hier sind die Lehrpläne fundamental zu überarbeiten. Ansonsten wird die Schweiz im Ranking bezüglich Informatikeinsatz dort verharren wo sich heute befindet – das heisst im hintersten Mittelfeld, und das wiederum kann dem Cluster Gesundheitswesen nicht zum Vorteil gereichen.

Telemedizin nutzen
Die grossen Perspektiven der Telemedizin sind gezielt zu nutzen. Dies aber nicht wie heute als zusätzlicher Service. Sondern als integrierter Bestandteil der Strukturen und Prozesse aller Akteure im Gesundheitswesen. Die heutigen „Zusatzangebote“ im Bereich der Telemedizin, welche nicht in die bestehenden Strukturen integriert sind, führen tendenziell zu weiteren Kostensteigerungen.

Qualitätsmanagement
Die Prozesse im Gesundheitswesen hin auf den Patienten sind strengen Kriterien des Qualitätsmanagements zu unterziehen.

Mitverantwortung des Patienten
Die Politik muss den Willen aufbringen und sich dazu durchringen, dem Patienten mehr Selbstverantwortung zu übertragen. Den Kranken- und Unfallversicherungen ist ein grösserer gesetzlicher Spielraum für entsprechende Anreizsysteme einzuräumen.


Schlussfolgerung

Die Bedeutung der Telemedizin wird in der Schweiz verkannt. Dabei kann uns die Vernetzung der Akteure im Gesundheitswesen dazu verhelfen, die Position in den liberalisierten Gesundheitsmärkten Europas zu festigen, uns für Gesundheitstouristen attraktiv zu machen, die Qualität der Gesundheitsversorgung weiter zu steigern und die Gesundheitskosten für die Schweizer Bürger zu senken. Ein Grundsatzentscheid vorausgesetzt, lassen sich die erforderlichen Anpassungsprozesse evolutionär vollziehen und manche der zur Schliessung vorgesehenen Spitäler können im neuen Konzept eine sinnvolle Aufgabe finden und dadurch überleben.

Dr. Andreas Würgler von WDP Projektmanagement (www.wdpmc.ch) ist auf die Entwicklung von zukunftsorientierten Geschäftsmodellen unter Berücksichtigung der Möglichkeiten der ICT spezialisiert. Er arbeitet sowohl mit Leistungserbringern wie Kostenträgern zusammen.

So hat er in dem Zusammenhang
• für verschiedene Krankenversicherungen Unternehmensstrategien entwickelt,
• an einem Pilotprojekt zur Integration und Vernetzung von medizinischen Fachdisziplinen an der Universität Giessen mitgearbeitet,
• Studien zum Einsatz der Telemedizin im Gesundheitswesen im Auftrag eines Pharmakonzerns durchgeführt,
• die Projektleitung bei der Detailstudie "eVersichertensystem für die Schweiz" im Auftrag der santésuisse innegehabt
• bei Informatikprojekten bei der Stiftung Rehabilitation in Heidelberg mitgewirkt.
• für das österreichische Sozialministerium eine Strukturanalyse geleitet
E-Mail: wuergler@wdpmc.ch

Sunday, November 20, 2005

Optionen einer Versichertenkarte für das schweizerische Gesundheitswesen

Autoren: Dr. Andreas Würgler, Peter von Dach, Toni Lipp

Als Instrument der Identifikation und Datenerfassung, Enabler der medizinischen Telematik im Krankenhausmanagement über die elektronische Patientenakte bis zur Einbettung in ein gesamteuropäisches Versorgungskonzept leistet die elektronische Gesundheitskarte überaus wertvolle Dienste. Ohne energische Massnahmen läuft die Schweiz Gefahr, in diesem zukunftsträchtigen Bereich zum Entwicklungsland zu werden.

Was ist eigentlich eine elektronische Gesundheitskarte?
Die auch in der Schweiz seit Jahren bekannte Versicherungskarte dient bisher lediglich als Sichtausweis zur (ungesicherten) Identifikation bei Bezug medizinischer Leistungen. Aufgrund der technologischen Entwicklungen in den letzten zehn Jahren bei den Speichermedien und im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) ergeben sich aber eine Vielzahl weiterer Anwendungsmöglichkeiten, welche in verschiedenen Ländern in Europa und Übersee bereits ziemlich intensiv und mit Erfolg genutzt werden.

Der Begriff „Karte“ ist an sich unglücklich und führt gerne zu Fehlschlüssen, wenn man sich nicht näher mit der Materie auseinandersetzt. Korrekt sollten wir stets vom „e-Kartensystem“ sprechen. Ein solches besteht aus der Karte (oder mittelfristig eventuell anderen Speicherme-
dien wie etwa das Handy), verbunden mit einem Kommunikations- und einem Servernetzwerk. Dazu gehört auch ein Identifikationssystem, mit welchem sich ein anderer Benutzer als der Pa-
tient (z.B. Arzt, Apotheker, Spital) beim Zugriff auf relevante Daten eindeutig identifizieren kann.
In der zur Zeit statt findenden Diskussion sind mehrere Kartenarten vereinfacht wie folgt
auseinander zu halten:
  • Karte mit Magnetstreifen (als Sichtausweis, aber ohne Identifikationsmerkmale)
  • Karte mit Speicherchip (als Versichertenausweis und mit Identifikationsmerkmalen)
  • Karte mit Prozessorchip (als Gesundheits- oder Patientenkarte)
Je nachdem ob und welche Daten darauf gespeichert werden, spricht man von Versicherungsausweis, elektronischer Versicherten-, Gesundheits- oder Patientenkarte. Dabei steuert der Trend weltweit eindeutig in Richtung Patientenkarte, welche neben administrativen Daten die Notfalldaten und die Krankheitsgeschichte des Inhabers aufweist. Zudem ermöglicht sie neue Dienstleistungen wie z.B. e-Rezept oder Synergien aus der Kombination mit persönlichen Identifikationskarten (ID) und/oder Kredit- und Kundenkarten (Ziel: Eine einzige Karte pro Person).

Ohne Einbettung in einen Netzwerkverbund kann eine Karte allerdings bloss eine sehr bedingte Ausweisfunktion wahrnehmen und hat in dieser Form keinerlei Zukunftsperspektiven. Erst ein entsprechender Verbund mit einem Netzwerk, welches sich auf einheitlich definierte (europäische) Standards abstützen kann, eröffnet einem Kartensystem das gesamte Anwendungsspektrum.

Situation in Europa
In Europa sind im Rahmen des Aktionsplans eEurope 2002 resp. eEurope 2005 bereits seit Jahren Projekte für elektronische Health Care- Lösungen initialisiert; dies mit unterschiedlicher Ausrichtung und Erfolg. Neben regionalen Vorhaben stehen auch diverse nationale e-Health-Projekte in Bearbeitung. Am direktesten auf die Schweiz - und dies sehr kurzfristig - wirkt sich das Projekt zur Einführung der europäischen Krankenversicherungskarte (KVK) aus. Mit Beschluss des Europäischen Rates in Barcelona wurde am 20. März 2002 entschieden, dass die europäische KVK die E-100-Formulare ablösen soll (die Formulare E-100 bestätigen den Anspruch auf Leistungen bei Krankheit bei Aufenthalt in einem anderen als dem Staat der Versicherung).

Spätestens ab 1. Jan. 2006 werden europaweit nur noch die KVK akzeptiert, was sich indirekt auch auf die Schweiz auswirken wird (Formular E-111).

In einzelnen Ländern sind allerdings seit Jahren weiterführende Pilotprojekte in Arbeit, welche ganze Regionen resp. Bundesländer umfassen und mindestens Teilbereiche des e Health Care abdecken. Dies reicht von elektronischen Patientenakten bis hin zu vernetzten Gesundheitsgebieten mit integrierten Leistungsanbietern auf der Basis von Gesundheits-Telematik-Plattformen.

Die Ausgangslage in der Schweiz
Ständerat und Nationalrat haben in der Herbstsession 2004 im Rahmen der 2. Revision KVG die Versichertenkarte behandelt. Dem Antrag der Kommissionsmehrheit, dass die Karte zu ei-ner Gesundheitskarte (mit der gespeicherten Krankengeschichte) ausgebaut werden soll, wurde nicht entsprochen. Nach Vernehmlassungen und längeren Verhandlungen konnte man sich auf die Version einer Versichertenkarte einigen. Dabei wurde festgehalten, dass der Bundesrat nach Anhörung der interessierten Kreise den Zugriff auf die Daten und deren Bearbeitung regeln soll.

Dieser Entscheid ist vertretbar, da die Nutzung der Karte zum Zweck der Identifikation/Authentifikation, der Vernetzung der Krankenakte und sonstiger medizinischer Anwendungen vor dem Hintergrund der heutigen Ausgangslage umfangreiche Vorbereitungsarbeiten und somit ohnehin noch einige Zeit beanspruchen wird. Zudem stellt dieser Schritt eine erste Etappe dar.

Dennoch birgt dieser Grundsatzentscheid eine erhebliche Grundproblematik. Dies aus den folgenden Gründen:
  • Ein Versichertenkartensystem, welches bloss dem Zweck der Rechnungsstellung der Leistungen und für den Notfall dient, ist unwirtschaftlich. Es bedarf unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten weiterer Anwendungen unter Einsatz der e-Karte.
  • Die e-Karte muss bezüglich der Verlässlichkeit der Identifikation/Authentifikation hohen Ansprüchen genügen. Dann eröffnet sich ein entsprechender Freiraum zur Nutzung der Karte für weitere Anwendungen in administrativen und danach auch medizinischen Belangen.
  • Bleibt hingegen - z.B. aus politischen Gründen - der zügige Weiterausbau des e-Kartensystems verwehrt, so droht ein unwirtschaftliches Informatikprojekt im Gesundheitswesen über Jahre hinweg.
Das Projekt einer e-Versichertenkarte lässt sich nicht losgelöst vom Stand der Informatik im schweizerischen Gesundheitswesen betrachten. Bei den ICT-gestützten administrativen Managementsystemen läuft die Schweiz Gefahr, den Anschluss an Europa mehr und mehr zu verlieren. Bezüglich der elektronischen Praxisinformationssysteme werden wir von Fachleuten gar zu den Entwicklungsländern gezählt. Die unausgewogene Konstellation zwischen der unbestrittenermassen vorhandenen Hightech-Medizin einerseits und den teils rückständigen administrativen Managementsystemen andererseits führt zu einem problematischen Ungleichgewicht. Erst durch einen harmonisierten Einsatz beider Elemente kommen die positiven Effekte als Summe aller Massnahmen vollumfänglich zum Tragen. Sie können so bedeutend dazu beitragen, dass die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen in den Griff genommen werden kann.

Die Gründe für die heutige Konstellation sind vielfältig. Zum einen sind es die Aufteilung der Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Kantonen (Stichwort NFA), welche die entsprechenden umfassenden Projekte erschweren. Zum andern behindert - trotz erster Schritte zur Abstimmung (Stichwort Diskussion Standorte Spitzenmedizin) - der gelebte Föderalismus die erforderliche Harmonisierung und Konzentration im Gesundheitswesen. Auf Seite der Leistungserbringer ist es die diffuse Angst vor mehr Transparenz und die Furcht, dass die ICT konkurrenzierende Funktionen in diagnostischen und therapeutischen Belangen einnehmen könnten. Ein derartiges Verhalten ist problematisch, da es die Schweiz um eine starke Position im Cluster „Gesundheitswesen“ bringt.

Zu recht derzeitiges Schwerpunktthema
Die grenzüberschreitende Liberalisierung für den Bezug von Gesundheitsleistungen in der EU steht vor der Tür. Damit ist die Zeit reif, dass sich Kostenträger und Leistungserbringer im übergeordneten volkswirtschaftlichen Interesse die Hand reichen und zu einer koordinierten Offensive starten. Dies verbunden mit den folgenden Zielsetzungen und Perspektiven:
  • Gesundheit und Wellness sollen sich langfristig zu einem tragenden Pfeiler der schweizerischen Volkswirtschaft entwickeln. Der Gesundheitstourismus weist einen positiven Saldo auf.
  • Durch einen „Exportüberschuss“ im Bereich der Gesundheitsdienste wird der Schweizer Versicherte kostenmässig entlastet. Ein Aspekt, der heute von der Politik zu wenig diskutiert wird. Falls im Rahmen der Liberalisierung im Gesundheitswesen aus Wettbewerbs- und Kostengründen die Leistungen mehr und mehr im Ausland erbracht werden, so akzentuieren sich die Kostenprobleme im Inland weiter.
  • Leistungserbringer und Kostenträger schnüren gemeinsame DL-Pakete für eine ausländische Kundschaft.
  • Die vorhandenen Ressourcen werden konsequent auf den nationalen und internationalen Bedarf ausgerichtet.
  • Ein prozessorientiert gestaltetes Gesundheitswesen und zeitgemässe Führungsinstrumente tragen dazu bei, dass die Ressourcenallokation effizient funktioniert und die Effektivität bei der Leistungserbringung sichergestellt wird.
Ohne angemessenen Informatikeinsatz und einen tiefgreifenden Sinneswandel - weg vom Krankheits- und hin zu einem Gesundheitsverständnis - sind diese Zielsetzungen nicht zu erreichen. Die positiven Effekte von e-Health könnten nicht genutzt werden.

Es ist momentan in der Schweiz niemand da, welcher in ICT-Belangen im Gesundheitswesen eine kräftige, koordinierende und neutrale Leitfunktion wahrnimmt. Zu stark sind auch die bishe-rigen Dienstleister Partikularinteressen (und ihren Inhabern) verpflichtet und darauf bedacht, die bisher getätigten Investitionen so lang als möglich zu rentabilisieren. Die Bedeutung einer neutralen Organisation ist unter Berücksichtigung der anstehenden Herausforderungen als sehr hoch einzuschätzen.

Es ist allerdings nicht so, dass bisher in der Schweiz im Bereich der e-Kartensysteme nichts unternommen worden wäre. Mit dem Projekt „Rete sanitaria“ wird im Kanton Tessin die Zweckmässigkeit der Gesundheitskarte - als Drehscheibe für Gesundheitsnetze - ab November 2004 bei ca. 3'000 Patienten getestet. Dabei werden zur Authentifizierung der Leistungserbringer auch die sog. Professional-Cards eingesetzt, welche nach Freigabe durch den Versicherten einen definierten Zugriff auf seine Daten ermöglichen.

Im Kanton Genf arbeitet man daran, im Projekt „e-Toile“ die elektronische Krankenakte (elektronische Patientendossiers) im Netzwerkverbund zu testen. Das ambitiöse Projekt hat nach einer breit abgestützten Konzeptionsphase die ersten Realisierungsschritte in Arbeit.
Diese regionalen Projektansätze bilden wesentliche Elemente auf dem langen Weg zum informatikgestützten Gesundheitswesen (e-Health Care) in der Schweiz. Sie bilden mit unterschiedlicher Ausrichtung konkrete Schritte, sind allerdings als Einzelprojekte nicht unbedingt geeignet, den vorhandenen Rückstand gegenüber den EU-Staaten zu beseitigen. Es fehlt der Schweiz auch nicht an Kommissionen, welche sich mit Informatikbelangen befassen. Da jedoch die anstehenden Probleme ihrer Komplexität wegen nur mit tiefgreifenden Analysen und einem entsprechenden Zeitaufwand bewältigt werden können, hat das schweizerische Milizsystem keine Zukunft. Deshalb ist eine gesamtschweizerische Koordination und Moderation der beteiligten Interessen zu fordern, welche aber neutral sein müsste, da zwangsläufig sehr viele kommerzielle und (gesundheits-) politische Interessen mitspielen.

Konkreter Nutzen eines elektronischen Gesundheitskartensystems
Man kann es drehen und wenden wie man will: Ein e-Kartensystem ist der Schlüssel zur Nutzung der vorhandenen Optionen im Bereich e-Health. Ein Industrie- und Dienstleistungsunternehmen kann ohne effektive e-Datenerfassungs- und verarbeitungsysteme keine wettbewerbsfähige Position mehr einnehmen. Das gleiche trifft auch für das Gesundheitswesen zu. Ein e-Kartensystem ist dank seinem Funktionsspektrum Voraussetzung und Türöffner für zeitgemässe Managementsysteme und eine prozessorientierte medizinische Versorgung.

Mit einem zweckmässig konzipierten e-Kartensystem können potentiell folgende Nutzen generiert werden:
  • Es bildet in der Schweiz den Anlass, eine Reihe von dringend benötigten Standards zu definieren, ohne welche die beachtlichen Optionen von e-Health nicht ausgeschöpft werden können. Dieser Aspekt kann unter Berücksichtigung des drohenden Wildwuchses an Lösungen kaum hoch genug eingeschätzt werden.
  • Es ermöglicht eine prozessorientierte Organisation des Gesundheitswesens mit den entsprechenden Führungsinstrumenten. Dadurch lässt sich die Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen nachhaltig verbessern.
  • Die Arbeitsprozesse lassen sich optimieren und aktuelle gesundheitsstatistische Informationen können mit bescheidenem Aufwand erstellt werden.
  • Es ermöglicht verbesserte patientenorientierte Dienstleistungen (Support-Services).
  • Es dient zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit und dadurch der Qualität der medizinischen Versorgung .
  • Schlussendlich können die daraus abgeleiteten Systeme dazu dienen, die Eigenverantwortung, Mitwirkungsbereitschaft und -initiative der Patienten zu stärken.
  • Selbstredend lassen sich die Nutzenpotentiale nur ausschöpfen, falls es gelingt, dieses sehr anspruchsvolle Projekt professionell und ohne Partikularinteressen zu führen.
Die Lehren aus den Erfahrungen der Nachbarländer ziehen
Unter Berücksichtigung der bestehenden Konstellation in der Schweiz ist der österreichische Ansatz wegweisend. Es muss darum gehen, zunächst eine qualifizierte kryptografische Infrastruktur aufzubauen. Das heisst, die Strukturen für die Verschlüsselung der Daten oder für die seit 1. Jan. 2005 in der Schweiz gültige elektronische Unterschrift sind als Basissystem zu konzipieren. Im Anschluss lassen sich dann die medizinische Anwendungen Schritt für Schritt wie Module auf diese Sicherheitsinfrastruktur aufbauen.

Falls sich beim federführenden Bundesamt für Gesundheitswesen (BAG) mit seiner Begleitgruppe eine derartiges Vorgehen durchsetzen könnte, dürfte der künftigen Entwicklung mit einem gewissen Optimismus entgegen gesehen werden. Sollte man sich jedoch auf regionale oder fachliche Teillösungen versteifen, dann sind die Perspektiven als eher düster zu bezeichnen. Dabei spielt es keine Rolle, ob dies aus regionalpolitischen oder kommerziellen Überlegungen erfolgen würde.

Zudem besteht die Gefahr, dass man aus den bekannten, leidigen österreichischen Erfahrungen bezüglich Projektmanagement nichts lernt. Das laufende Projekt mit einem Konsortium von internationalen Anbietern musste im Frühjahr 2003 wegen andauernden Zeitverzögerungen eingestellt und mit enormen Kostenfolgen neu aufgegleist werden. Hier hat sich klar gezeigt, dass die Akteure im Gesundheitswesen als Meinungsbildner proaktiv ins Projektmanagement einzubeziehen sind. Es ist nicht möglich, derartige Projekte an ein technisch orientiertes Konsortium zu vergeben und dabei zu hoffen, dass für die erarbeiteten Lösungen die entsprechende Akzeptanz bei den fachlich Beteiligten des Gesundheitswesens gegeben ist.
In diesem Zusammenhang die wörtliche Aussage von Projektleiter Heinz Otter vom Hauptver-band der österreichischen Sozialversicherungen:

„Wir haben aus unseren Erfahrungen gelernt.... Das wichtigste ist ein professionelles Projekt-management. Gebraucht werden erfahrene Leute, die den Überblick haben und die Aktivitäten der Akteure im Konsortium koordinieren. Dies kann ich auch unseren Nachbarländern dringend empfehlen...“

Was ist zu tun?
Wie aus den vorhergehenden Ausführungen abgeleitet werden kann, weist das Chancen-Risikenprofil im Zusammenhang mit einem e-Kartensystem eine extreme Ausprägung auf. Deshalb ist es besonders wichtig, dass die relevanten Entscheider durch entsprechende Informationen in die Lage versetzt werden, die Bedeutung eines e-Kartensystems und die erforderlichen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Umsetzung in ihrer vollen Tragweite nachvollziehen zu können. Als Konsequenz heisst das aber Abschiednehmen von einer engen „Kartenvorstellung“, wie dies heute immer noch weit verbreitet ist.

Noch darf man hoffen, dass unter dem bestehenden Kostendruck die Gunst der Stunde resp. der Handlungsbedarf erkannt wird. Dazu muss allerdings ein kräftiger Ruck durch die beteiligten Akteure gehen - zum Teil wäre wohl gar eine eigentliche Kehrtwende nötig. Dadurch wäre es aber denkbar, in der an sich überschaubaren Schweiz wieder einmal ein Projekt mit internationaler Ausstrahlung zu realisieren. Dies wäre für die Schweiz mit der ökonomisch und politisch ausserordentlich bedeutenden Branche Gesundheitswesen auch volkswirtschaftlich ein bedeutendes und beachtetes Erfolgssignal.

Dr. Andreas Würgler ist geschäftsführender Gesellschafter, Peter von Dach und Toni Lipp assoziierte Partner von WDP Projektmanagement, 4614 Hägendorf. Sie befassen sich mit strategischen, struktur- und prozessorganisatorischen sowie Informatikfragen bei Versicherungen und im Gesundheitswesen. Sie wickeln Mandate für eine Reihe von schweizerischen Auftraggebern ab und waren auch für das österreichische Bundesministerium für Arbeit und Soziales tätig.

E-Mail: wuergler@wdpmc.ch; Hompage: www.wdpmc.ch

Saturday, November 19, 2005

Beseitigung von Hemmfaktoren der Prozessbeschleunigung bei Kranken- und Unfallversicherungen

Bei der Automatisierung der internen Prozesse sind beachtliche Fortschritte erzielt worden. Trotzdem befriedigt die Integration externer Bearbeitungsstellen nach wie vor nicht. Die gute Nachricht ist: Es stehen heute geeignete IT-Mittel zur Verfügung, um diesen Missstand zu beheben.

Hintergrund
In den letzten Jahren haben Kranken- und Unfallversicherungen (in der Folge kurz KUV genannt) beim internen Prozessmanagement beachtliche Fortschritte erzielt. In vielen Fällen ist der diesbezügliche Automationsgrad beachtlich.

Die Bearbeitung der Geschäftsfälle, deren Abwicklung die Mitarbeit externer Stellen erfordert, sind hingegen in vielen Fällen schwerfällig, dauern lang und sind wenig kundenfreundlich. Grund: Der Einbezug dieser externen Bearbeitungspartner ist ungenügend geregelt und die Integration in den Workflow ist mangelhaft. Medienbrüche machen sich bemerkbar, die Datenerfassung und -übermittlung erfolgt wenig professionell.

Es gibt nichts zu beschönigen: Ein Grossteil der Effizienzsteigerungspotentiale des internen Workflow verpufft bei den Transaktionen mit externen Bearbeitungspartnern im Leeren.
Das muss nicht sein. Wir verfügen heute über ausgereifte IT-Mittel, um externe Partner besser in den Workflow einzu-schliessen. Es handelt sich dabei um:
  • Webbasierter eDatentransfer/eFormulare
  • eNetzwerke/eKartensysteme
  • (Gemeinsame) Plattform- und Support-Services
  • Endgeräte (eventuell mobil verfügbar).
Mit einem gut abgestimmten Einsatz dieser Mittel können
  • die Automationspotentiale der internen Prozesse (endlich) vernünftig ausgeschöpft und
  • die Bearbeitungsprozesse als Ganzes schneller, effizienter und vor allem kundenfreundlicher abgewickelt werden.
Was ist zu tun?
Es gilt die folgende Bestandesaufnahme vorzunehmen:
  • Welche ungenutzten Effizienzsteigerungspotentiale liegen durch eine mangelhafte prozessmässige Integration externer Bearbeitungspartner brach? Dies versehen mit den entsprechenden Quantifizierungen.
  • Mit welchen Mitteln und ICT-Instrumenten lassen sich diese beseitigen? Aufzeigen möglicher Alternativen.
  • Welche Prioritäten sind anhand von Kriterien wie ROI, Projektrisiken, sonstige Projekte usw. vorzusehen?
  • Wie haben die Pflichtenhefte auszusehen?
  • Welche Massnahmen inkl. Controlling sind vorzusehen?
Ergebnisse / Nutzen
Mit den Projektarbeiten kann folgender Nutzen für eine Kranken- und Unfallversicherung generiert werden:
  • Die Hemmfaktoren der Prozessbeschleunigung des Workflow werden sichtbar, quantifiziert und mögliche Lösungswege aufgezeichnet.
  • Es wird ein Marktüberblick über mögliche Lösungsansätze vermittelt. Vorhandene Trends und der Ausreifungsgrad der erforderlichen Technologien werden aus einer unabhängigen und neutralen Sicht dargelegt.
  • Die organisatorischen und technischen Mittel zur Beseitigung der Hemmfaktoren werden aufgelistet.
  • Die Wirtschaftlichkeit und die Projektrisiken werden vor dem Hintergrund der bestehenden IT-Infrastruktur aufgezeichnet.
  • Es werden Konzepte und Pflichtenhefte aus einer betriebswirtschaftlichen Sicht heraus erarbeitet.
E-Mail: wuergler@WDPmc.ch; Internet: www.WDPmc.ch

Die Versichertenkarte - Türöffner für neue Führungs- und Organisationsmodelle, Marketingkonzepte und Services

Die Versicherten- oder Gesundheitskarte wird - wie in den übrigen europäischen Ländern – auch in der Schweiz das bedeutendste EDV-Projekt der Geschichte darstellen. Ein Türöffner zu eHealth mit weit reichenden Folgen für Führung und Organisation im Gesundheitswesen. Mit einer Detailstudie hat WDP den Themenbereich behandelt und Lösungswege für eine optimale Nutzung der sich daraus ergebenden Perspektiven aufgezeigt.

Ausgangslage und Herausforderung

Der Begriff „Versicherten- und Gesundheitskarte“ ist unglücklich und ausgesprochen missverständlich. Es handelt sich hierbei nämlich um ein Gesamtsystem, bei dem der Namensgeber „Karte“ ganz in den Hintergrund tritt. Dominant ist das Kommunikationsnetzwerk, der Serververbund mit einer Reihe von (Web-) Services. Am Ende der Reihe erst steht das Legitimations- und Erfassungsinstrument Karte. Langfristig dürfte die Karte gar durch ein anderes Medium abgelöst werden (z.B. Handy).

In der Medizintechnik kommt heute modernste Hightech zum Einsatz. In adminstrativen Belangen bedienen wir uns indessen immer noch längst überholter Verfahren und Methoden. Ein Teil der Effekte der Hightech-Medizin verpufft daher ungenutzt und die Qualität der medizinischen Versorgung als Ganzes wird in Mitleidenschaft gezogen. Längerfristig wird sich auch in der Medizin – ähnlich wie in Industrie und Dienstleistung – eine prozessorientierte Organisation und Führung durchsetzen. Ausgewählte Teilprozesse der medizinischen Versorgung werden durch Semi-Expertensysteme abgesichert, der Status der Behandlung ist für Berechtigte einsehbar, Systeme des Dauermonitorings erhöhen die Qualität der Diagnose, die Lebensqualität der Patienten kann sich verbessern.

Positive Kosten-Nutzeneffekte lassen sich allerdings nur mit einem weit entwickelten eKartensystem sicherstellen. Das heisst mit einem System mit hohem Sicherheitsstandard und einem umfassenden Datensatz mit medizinischen und F- + O-Daten. Für Leistungserbringer und Kostenträger eine Chance, sich zu einer neuen Partnerschaft auf einer solideren, gegenseitig besser nachvollziehbaren Datenbasis zu finden.

Was werden Sie zu klären haben und wo können wir Sie unterstützen?

Die Akteure im Bereich der KUV, den SV und im Gesundheitswesen werden für sich die folgenden Fragen zu beantworten haben:
  • Welchen Einfluss haben die verschiedenen Varianten von eKartenystemen auf Führung und Organisation meines Unternehmens?
  • Welche Prozesse innerhalb des Unternehmens und zwischen den Akteuren im Gesundheitswesen werden wie und wann beeinflusst?
  • Welche Veränderungen ergeben sich im relevanten Wettbewerbsumfeld und wie muss ich darauf reagieren?
  • Welche neuen Versicherungsmodelle werden möglich und wie integriere ich diese in die Angebotspalette?
  • Welche neuen Perspektiven ergeben sich für Marketing und Vertrieb? Welche neuen Services werden möglich? Wie gestalte ich den künftigen Internetauftritt?
  • Welche strategischen Partnerschaften muss ich in Erwägung ziehen?

E-Mail: wuergler@wdpmc.ch; Internet: www.wdpmc.ch